Die Stadtsparkasse Nürnberg 1933-1945

Wie tief war die „Sparkasse der Stadt der Reichsparteige“ im Nationalsozialismus verstrickt und durch ihn beeinträchtigt? Im Vorfeld unseres 200-jährigen Jubiläums stellten wir uns unserer NS-Vergangenheit. Der Historiker Dr. Andreas Stefan Hofmann verfasste im Auftrag der Sparkasse Nürnberg einen historisch beachtenswerten Beitrag für die „Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg“. Die vollständige Arbeit könnt ihr hier einsehen.

Deckblatt eines Geschäftsberichts der Sparkasse Nürnberg (StadtAN E 53/2 297, 23)
Deckblatt eines Geschäftsberichts der Sparkasse Nürnberg (StadtAN E 53/2 297, 23)

Hofmann konnte bei seiner über einjährigen Recherche zur NS-Vergangenheit der Stadtsparkasse Nürnberg auf reichhaltige Quellen zurückgreifen: Geschäftsberichte und Protokolle der Sitzungen des Verwaltungsrats sind nahezu lückenlos vorhanden und ergeben mit den internen Informationen zu Personal, Organisations-, Schutz- und Werbemaßnahmen, dem Manuskript eines Sparkassenmitarbeiters und den Stadtverwaltungsakten ein anschauliches Bild über den Alltag einer deutschen Großsparkasse im Nationalsozialismus.

Im Fokus seiner Arbeit lag die Frage, inwieweit die „Sparkasse der Stadt der Reichsparteitage“ als „Kapitalsammelstelle“ für die Nationalsozialisten fungierte und wie sich die NS-Diktatur auf die Geschäftsentwicklung, Mitarbeiter*innen, interne Prozesse und Vertrieb auswirkte.

„Die zwölfjährige Tätigkeit während des Nationalsozialismus ist ein dunkles Kapitel für die Sparkasse Nürnberg. Aber sie gehört zu unserer Unternehmensgeschichte dazu. Eine Auseinandersetzung mit unserem Wirken in diesem Unrechtsregime ist notwendig, um auch für die heutige Zeit daraus zu lernen. Dr. Hofmann ist ein beeindruckender Beitrag gelungen. Die persönlichen Schilderungen des damaligen Sparkassenmitarbeiters Konrad Schmidt haben den Alltag in der Sparkasse während des Dritten Reiches sehr anschaulich gemacht“, sagt unser Vorstandsvorsitzender, Dr. Matthias Everding.

Wesentliche Ergebnisse der Arbeit zur NS-Vergangenheit

Aus dem winzigen Institut, das als erste Sparkasse in Bayern 1821 in Nürnberg gegründet wurde und der Altersvorsorge und Minimierung des Altersrisikos dienen sollte, hat sich bis zum Beginn der 1930er Jahre eine moderne Großsparkasse entwickelt: Mit einer Bilanzsumme von 82 Millionen Reichsmark, 13 Zweigstellen und über 240 Mitarbeitenden war die Stadtsparkasse Nürnberg in Bayern führend und zählte deutschlandweit zu den Top-Geldinstituten. Ab 1937 trug sie den offiziellen Namen „Sparkasse der Stadt der Reichsparteitage“.

Geschäftsentwicklung: Die deutschen Sparkassen konnten ihre Geschäftstätigkeit im nationalsozialistischen Deutschland erheblich ausbauen. Das Sparvermögen der Deutschen lag hauptsächlich bei den als „Kapitalsammelstellen“ instrumentalisierten Sparkassen und diente der Rüstungsfinanzierung, unter anderem über die sogenannten Reichsanleihen als irgendwann einzige Anlagemöglichkeit für Geldinstitute. Meist handelte es sich jedoch um eine Scheinblüte: Die enormen Einlagenzuwächse kaschierten die schleichende Geldentwertung und eine strikte Reglementierung nach außen.

Im gleichen Kontext entwickelte sich bis 1945 auch die Stadtsparkasse Nürnberg: Ihre Bilanzsumme betrug bei Kriegsende 628 Millionen Reichsmark (1933: 82 Mio. RM), der Gesamteinlagenstand wuchs von 76 Millionen Reichsmark 1933 auf sagenhafte 599 Millionen Reichsmark 1945 an – davon die Spareinlagen von 63 Millionen Reichsmark auf 513 Millionen Reichsmark. Wirkung zeigte hier der von den Nationalsozialisten instrumentalisierte Spargedanken: Sparen wurde als Teil der Pflichterfüllung in der Volksgemeinschaft angepriesen („Der deutsche Soldat kämpft an der Front, das deutsche Volk spart in der Heimat. Beide helfen Deutschland zum Sieg!“). Ziel war, Kleinsparer zu mobilisieren und ihnen möglichst viel Kapital zur Kriegsfinanzierung zu entlocken. Ende des Krieges hatte die Stadtsparkasse 65 Prozent ihrer Wertpapiere in Reichs- und Kriegsanleihen angelegt.

Postkarte der „Sparkasse der Reichsparteitage Nürnberg“, 1940 (StadtAN A 5 Nr. 5194)
Postkarte der „Sparkasse der Reichsparteitage Nürnberg“, 1940 (StadtAN A 5 Nr. 5194)

Die zunehmenden Kriegsauswirkungen behinderten demnach weniger die Geschäftsentwicklung als viel mehr stark die Betriebsabläufe. Eine komplette Schließung gab es nie. Wichtige Unterlagen zur Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs und Kundendokumente wurden laufend kopiert und an Standorten außerhalb Nürnbergs in Sicherheit gebracht, Schäden nach Bombenangriffen notdürftig repariert und zum Kriegsdienst eingezogene Männer durch weibliche Arbeitskräfte ersetzt.

Nazifizierung der Sparkassenmitarbeiter*innen: Nach der Machtübernahme änderten sich die Sparkassenordnung und die Machtverhältnisse beim Gewährträger im Nürnberger Stadtrat und damit auch die Zusammensetzung des Verwaltungsrats der Stadtsparkasse. Ab 1938 hatten NSDAP-Mitglieder acht von zehn Sitzen inne, der Sparkassenleiter und sein Stellvertreter waren über die 12-jährige NS-Zeit hinweg immer parteilos.

Auch bei den Mitarbeiter*innen nahm im Laufe der Jahre die Anzahl derer mit Parteizugehörigkeit zu. Bei Stellenbesetzungen und Karriere war nicht mehr die Qualifikation ausschlaggebend. Nach Akten der amerikanischen Militärregierung waren 1945 von 454 Mitarbeiter*innen 185 Mitglied bei der NSDAP und zugehörigen Organisationen. Exakte Angaben über die Anzahl an Mitarbeiter*innen, die aus politischen und rassenideologischen Gründen entlassen wurden, liegen nicht vor, jedoch sind Entlassungen belegt.

In diesem spannungsgeladenen Innenverhältnis zwischen parteilosen Beamten und teils unqualifizierten Parteigenossen wurde über parteiliche Pflichtveranstaltungen wie „Schulungsabende“, Betriebsappelle und Festakte die Indoktrination der Belegschaft weiter vorangetrieben. Für mehr Kameradschaftlichkeit sollten Betriebssportangebote, warmes Mittagessen und finanzierte Weiter- und Fortbildungen sorgen.

Mitwirkung der Stadtsparkasse bei der „Arisierung“: Durch die starke Agitation von Julius Streicher, Herausgeber der judenfeindlichen Hetzschrift „Der Stürmer“ und Gauleiter Frankens, wurde die Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens in Nürnberg besonders rücksichtslos betrieben. Seit der Machtübernahme war die Kreditvergabe an Juden durch die Stadtsparkasse verboten, sie wurden schrittweise aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben verdrängt, ihr Besitz und Vermögen enteignet. Die Stadtsparkasse Nürnberg war in den Prozess der sogenannten „Arisierung“ miteingebunden: Sie führte zahlreiche „Sperrkonten für die Arisierung“ sowie „Hausverwaltungskonten“ ehemals jüdischer Eigentümer. Die Gestapo bezog die damalige „Sparkasse der Stadt der Reichsparteitage“ bei der finanziellen Abwicklung der „Arisierung“ mit ein, ihre Umsetzung wäre ohne das Geldinstitut nicht möglich gewesen.

Zweigstelle 9 der Stadtsparkasse Nürnberg in der Allersberger Straße 64, 1931 (StadtAN A 38 Nr. A38-E57-3)
Zweigstelle 9 der Stadtsparkasse Nürnberg in der Allersberger Straße 64, 1931 (StadtAN A 38 Nr. A38-E57-3)

Auch die Stadtsparkasse selbst profitierte von der „Arisierung“: Zwei Grundstücke, auf denen die Zweigstelle 9 (Allersberger Straße / Wiesenstraße) zunächst zur Miete untergebracht war, wurden den jüdischen Eigentümern enteignet, dem Reich „übergeben“ und der Sparkasse über einen Treuhänder zu einem niedrigen „Einheitspreis“ zum Kauf angeboten. Diese erwarb die Grundstücke 1944, ihre Eigentumsrechte wurden jedoch nie ins Grundbuch eingetragen. Die früheren jüdischen Besitzer und die Stadtsparkasse schlossen 1950 im Rahmen der Entnazifizierung vor der Wiedergutmachungsbehörde einen rechtskräftigen Vergleich, die Eigentumsrechte gingen vollständig zurück an die früheren Besitzer. Die Stadtsparkasse erwarb daraufhin die im Krieg zerstörten Grundstücke 1953 nochmals legal zu einem angemessenen Preis und ist seitdem auch als Eigentümerin im Grundbuch genannt.

Historische Einordnung der Ergebnisse zur NS-Vergangenheit

Dr. Antonia Landois, Historikerin und Archivarin im Stadtarchiv Nürnberg: „Der Beitrag von Dr. Hofmann schließt eine Forschungslücke, da nun erstmals sowohl die Rolle der Stadtsparkasse in der ‚Stadt der Reichsparteitage‘ als auch ihre Entwicklung von 1933 bis 1945 detailliert und auf breiter Quellenbasis nachvollzogen werden können. Verschiedene Aspekte wie z.B. die ‚Nazifizierung‘ der Institution, die Zunahme der Bilanzsummen und deren Indienststellung für die Kriegsfinanzierung sowie die direkte und indirekte Profitnahme durch die ‚Arisierung‘ von Eigentum jüdischer Mitbürger sind damit vorbildlich aufgearbeitet.“

Autor Dr. Andreas Stefan Hofmann: „Schon unmittelbar nach der Machtübernahme Adolf Hitlers 1933 zeichnete sich das Kriegsvorhaben ab, zu dessen Umsetzung es Kapital benötigte. Die Sparkassen, die sich im fortdauernden ‚Dritten Reich‘ zunehmend als ‚Kapitalsammelstellen‘ etablierten, erwiesen sich als unerlässliche Stütze bei der Kriegsfinanzierung. Am Beispiel der Nürnberger Sparkasse wurde dies besonders deutlich. Ihr gelang nach der Jahrhundertwende der Aufstieg zu einer modernen Großsparkasse. Nach der Bankenkrise 1931/32 konnte sie eine Konsolidierung erreichen und profitierte ab 1933 von den Bestimmungen der Nationalsozialisten, indem sie ihre Bilanzsumme auf nie gekannte Höhen steigerte. Verblüffend ist, dass selbst der Kriegsausbruch an dieser Entwicklung nichts geändert hat – im Gegenteil sie sogar noch intensivierte. Deutlich wird dies bei Betrachtung des Gesamteinlagenstandes, der bis 1945 auf 598,5 Millionen RM anwuchs. Dieser binnen zwölf Jahre erfolgte kometenhafte Anstieg des Gesamteinlagenstandes der Sparkasse Nürnberg überrascht auch noch 75 Jahre nach Kriegsende und er macht deutlich, in welcher Weise Sparkassen im nationalsozialistischen Deutschland profitiert hatten und welch wichtige Rolle sie im Rahmen der ‚geräuschlosen Kriegsfinanzierung‘.“

Zum Autor der wissenschaftlichen Arbeit

Dr. Andreas Stefan Hofmann studierte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Neure und Neueste Geschichte, Neuere Bayerische und Fränkische Landesgeschichte und Soziologie und promovierte 2017 zum Dr. Phil. Seit 2018 arbeitet er als freiberuflicher Wissenschaftler. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus sowie die Regional- und Wirtschaftsgeschichte.

Zu den „Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg“:

In den jährlich erscheinenden „Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg“ (MVGN) werden Aufsätze aus allen Bereichen der Nürnberger Geschichte veröffentlicht. Der Band 107 mit dem Beitrag von Dr. Andreas Stefan Hofmann über die „Stadtsparkasse Nürnberg 1933-1945“ erschien am 18. Dezember 2020.